Häufige Sitzfehler beim Reiten von Übergängen
Übergänge zu reiten ist ein sehr effektives Mittel, um sein Pferd zu lösen. Sie sind außerdem Prüfstein dafür, wie durchlässig das Pferd ist, und sie gehören in jede Dressurprüfung. Die Rede ist dabei von Übergängen in eine andere Gangart oder auch innerhalb derselben Gangart. Beim Reiten von Übergängen können natürlich eine ganze Menge an Fehlern und Unstimmigkeiten entstehen. Die meisten davon lassen sich allerdings auf ein kurzzeitiges „Aus-der-Balance-kommen“ zurückführen. Welche physikalischen Kräfte bei Übergängen auf uns wirken, kann man sich gut vor Augen führen, wenn man sich zwei Extrembeispiele anschaut:
A) Das Pferd erschrickt vor etwas hinter sich und schießt aus dem Schritt plötzlich nach vorne los.
B) Das Pferd scheut vor etwas und macht aus gestrecktem Galopp einen Full-Stop.
Beim ersten Beispiel kann man sich gut vorstellen, dass der Reiter mit dem gesamten Oberkörper nach hinten kippt. Als Folge davon kann es dazu kommen, dass der Reiter vielleicht mit den Knien klemmt, die Knie hochzieht, die Fersen hochzieht, die Hände hochzieht, an den Zügeln zieht usw., um wieder in Balance zu kommen und nicht vom Pferd zu fallen. Beim zweiten Beispiel, wenn das Pferd abrupt anhält, kann man sich gut vorstellen, dass der Reiter mit dem Oberkörper nach vorne kippt, auf dem Pferdehals landet, die gleichmäßige Zügelverbindung verliert, die Unterschenkel nach hinten rutschen usw. Die gleichen physikalischen Kräfte – wenn auch weniger stark – wirken natürlich auch bei weniger extremen Übergängen. Wenn man sich mal in Zeitlupe filmt, werden die meisten Reiter feststellen, dass sie sogar bei einem kontrollierten Schritt-Galopp Übergang oder bei einem Zulegen im Trab für ein paar Sekunden ganz leicht, die optimale Aufrichtung im Oberkörper, bzw. die perfekte Balance verlieren. Dabei handelt es sich manchmal nur um wenige Zentimeter, aber schon das hat Auswirkungen auf unsere Gewichtsverteilung und Hilfengebung.
Sitzfehler entstehen im Zentrum des Körpers
Um die Ursachen für solche Sitzfehler aus sportphysiologischer Sicht zu erläutern, muss Fitnesscoach Marcel Andrä etwas weiter ausholen, denn die meisten Sitzfehler entstehen im Zentrum des Reiterkörpers: „Der Hüftgürtel ist mit seinen vielen Muskeln die „Kontrolleinheit“, die den gesamten Körper steuert. Über den Oberschenkel, der mit den Knien zusammenspielt, wird sogar die Fußposition beeinflusst. Die Hüfte befindet sich in der Körpermitte, daher muss man diesen Muskeln besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, denn sie leisten einen ganz entscheidenden Beitrag dazu, viele weitere Bewegungen sowohl im Unter- als auch im Oberkörper zu koordinieren. Die Hüftregion besteht aus über 40 Muskeln, die sich im und um das Becken herum befinden. 40 Prozent davon bewirken eine Innen- oder Außenrotation, die für einen Großteil der Beweglichkeit des Unterkörpers verantwortlich ist. Sind die Hüften fest oder unbeweglich, kann der Reiter die Pferdebewegungen bei Übergängen nicht dynamisch „abfangen“. Auch die meisten Rücken- und Hüftschmerzen entstehen durch blockierte oder instabile Hüften.”
Rumpfstabilität kann man trainieren
Hinzu kommt, dass der Reiter für einen stabilen und vor allem dynamischen Sitz in den Übergängen einen stabilen Rumpf braucht. „Rumpfstabilität ist viel mehr als eine definierte Körpermitte oder ein Waschbrettbauch“, betont Marcel Andrä. „Mit Hilfe der richtigen Aktivierungsmuster bildet der Rumpf eine stabile Einheit und ermöglicht, dass Hüfte und Schultern optimal zusammenarbeiten. Der Rumpf wird zur Balancierstange des Reiters. Eine Herausforderung beim Reiten besteht darin, diese Rumpfstabilität über einen längeren Zeitraum – nämlich die gesamte Reiteinheit – aufrecht halten zu können. Beim Reiten von Übergängen muss der Reiter diese Rumpf-Aktivierung kurzfristig noch zusätzlich erhöhen können, um stabil und in Balance zu bleiben, ohne dabei in der Hüfte zu blockieren. Fehlt es an Rumpfstabilität, verspannen sich Reiter häufig, halten die Luft an und/oder krümmen sich etwas im Oberkörper, wenn man ihnen sagt, dass sie ihre Rumpf- bzw. Bauchmuskulatur angespannt halten sollen. Außerdem fällt es vielen Menschen leichter, ihren Rumpf beim Einatmen zu stabilisieren, während sie bei der Ausatmung diese Stabilität wieder verlieren – manchmal ist es auch genau andersherum. Dabei geht es beim Reiten ja darum, Beständigkeit und Gleichmäßigkeit zu erlangen.“ Die gute Nachricht ist: Rumpfstabilität kann man trainieren. Und es ist sinnvoll, dies auch täglich zu tun, damit man beim Reiten – vor allem auch in den Übergängen – ganz automatisch stabil sitzt.
Mit dieser Übung kannst du deinen Rumpf aktivieren & die Bauchatmung üben:
1. Schritt
Lege dich auf den Rücken und platziere zum Beispiel eine Reitkappe auf deinem Bauchnabel. Atme tief durch die Nase in deinen Bauchraum ein und bewege dabei die Reitkappe beim Einatmen auf und beim Ausatmen durch den Mund ab, um sicherzustellen, dass du wirklich tief bis in den Bauch atmest.
2. Schritt
Im zweiten Schritt versuchst du, dass die Reitkappe ruhig bleibt, während du weiter tief in den Bauch atmest. Denn beim Reiten soll dein Rumpf ja auch nicht mit jedem Atemzug wackeln.
Und so geht’s:
- Atme tief durch die Nase in deinen Bauch ein. Dein Bauch dehnt sich dabei leicht aus und deine Reitkappe hebt sich an.
- Atme nun langsam aus und mache dabei einen scharfen sssssss Laut. Das hilft, die richtigen Muskeln zu aktivieren. Die Reitkappe soll möglichst an der gleichen Stelle bleiben.
- Beim Ausatmen kannst du dir vorstellen, dass dein Rumpf von einem inneren Korsett stabilisiert wird. Manchen hilft auch die Vorstellung, die Sitzbeinhöcker etwas enger zueinander zu ziehen, oder die seitlichen Bauchmuskeln nach vorne in Richtung deiner Bauchdecke zu ziehen.
- Halte diese Aktivierung, dieses Gefühl im Rumpf, während du weiter ruhig und gleichmäßig atmest. Achte darauf, dass du nicht die Luft anhältst oder deine Bauchmuskeln übermäßig anspannst. Die Spannung sollte leicht und stabil sein, nicht verkrampft.
Diese Atemtechnik bedarf etwas Übung. Sobald du sie gemeistert hast, wird sie zum absoluten Game-Changer im Sattel, um tief, stabil und quasi wie angeklebt zu sitzen.
3. Schritt
Wenn diese Atemtechnik im Liegen klappt, übe sie in verschiedenen Alltagssituationen – im Stehen, beim Autofahren, im Sitzen und bewusst z.B. beim Schrittreiten. Je öfter du übst, desto natürlicher und einfacher wird es.
Werde jetzt DressurFit Mitglied und erhalte deinen persönlichen Trainingsplan: Einfach hier anmelden und den ersten, kostenlosen Test absolvieren: HIER KLICKEN!