So hilft dir Neuro-Athletik, dein Reiten zu verbessern
Reiten ist nicht nur eine Frage des Gefühls und der Technik, sondern auch wie unser Nervensystem die vielen feinen Bewegungen steuert, die im Sattel ausgeführt werden. Die Neuro-Athletik ist eine neue Art des Trainings im Reitsport und kann den kleinen, aber feinen Unterschied beim Reiten machen. Das Training der Neuro-Athletik geht darum, wie das Gehirn Bewegungen steuert und wie man diese besser kontrollieren kann.
Das Nervensystem hat drei Hauptaufgaben
Reizwahrnehmung:
Es nimmt Reize aus unserer Umwelt und unserem Körperinneren auf. Dies können visuelle Reize von unseren Augen oder propriozeptive Reize aus unseren Gelenken und Muskeln sein.
Reizverarbeitung:
Es interpretiert und integriert diese Reize, um zu entscheiden, wie darauf reagiert werden soll.
Reaktionssteuerung:
Die endgültige Aufgabe ist die Bewegungssteuerung. Das bedeutet, jede Bewegung, die wir ausführen, beginnt tatsächlich in unserem Gehirn.
Gezieltes Training des Nervensystems im Reitsport durch Neuro-Athletik
Regelmäßiges Training kann helfen, unser Nervensystem zu schulen, genauso wie wir unsere Muskulatur trainieren. Das hat beispielsweise direkten Einfluss auf die Balance und die Koordination des Reiters. Bei der Neuro-Athletik beschäftigt sich mit dem visuellen, dem vestibulären und dem taktilen Sinnessystem, also der Sinneswahrnehmung über die Augen, dem Gleichgewicht und dem Tast- und Temperatursinn sowie der Tiefensensibilität.
Die visuelle Wahrnehmung beim Reiten
„Die visuelle Wahrnehmung in der Neuro-Athletik spielt beim Reiten eine wichtige Rolle, da Reiter nicht nur schnell auf Bewegungen und Veränderungen in ihrer Umgebung reagieren müssen, sondern vor allem auch fein und präzise.“, erklärt Sportwissenschaftler Marcel Andrä. „Das Training der visuellen Wahrnehmung beeinflusst, wie Reiter ihre Umgebung visuell erfassen und hat direkten Einfluss auf ihre Balance und Koordination auf dem Pferd.“
Dein Gleichgewichtssinn und dessen Rolle im Sattel
Unser Gleichgewichtssystem sitzt im Innenohr und ist für die Stabilisierung während dynamischen Bewegungen (wie beim Reiten) verantwortlich. „Es gibt uns ein Gefühl für ,oben‘ und ,unten‘ und hilft uns, im Raum zu orientieren.“ so Marcel. Durch ein besseres Gleichgewicht können sich Reiter besser an die Bewegungen des Pferdes anpassen und so eine bessere Verbindung aufbauen.
So beeinflusst deine Balance die Feinabstimmung mit deinem Pferd
„Meine Balance macht es mir möglich, dass ich in der Senkrechten sitze, geschmeidig bin und in der Bewegung mitgehen kann“, erläutert Benjamin Werndl. „Ich sollte in derselben Position auch am Boden ohne Pferd stehen können. Wenn ich beim Training zulege, versuche ich, in der Bewegung mitzugehen. Wenn ich zurückreite, versuche ich, mich mehr hinzusetzen, um das Pferd vor mir zu halten. Dafür ist die Feinabstimmung wichtig. Balance ist dabei kein Dauerzustand, sondern darf immer wieder erarbeitet werden.“ Gute Balance beim Pferd bedeutet, dass es sich hinten selbst trägt und der Reiter vorne zum Loslassen kommt. „Das Pferd kommt dann mit sich selbst zurecht und ich kann mich als Reiter zurücknehmen. Das heißt, dass ich weder treiben muss, damit es vorwärts geht, noch halten muss, damit es bei mir bleibt. Ich bin dann nur noch das Zünglein an der Waage. Und je besser ich meinen Körper trainiert habe, umso mehr Gefühl habe ich. Wenn ich meinen Körper besser spüre, kann ich auch den Körper des Pferdes besser spüren – das ist das Gefühl, das wir im Sattel brauchen.“
Fühlen und Bewegen
Das taktile System ermöglichst es uns, Bewegungen in unseren Gelenken wahrzunehmen. Dies ist besonders wichtig für Reiter, um den Sitz und die Verbindung zum Pferd zu verbessern. Durch ein gut trainiertes taktiles System kannst du viel feiner auf dein Pferd einwirken. „Wichtig ist, dass ich im Sattel abgestimmte Hilfen geben kann. Eine Parade beispielsweise reite ich mit meinem ganzen Sitz, mit meinen treibenden Hilfen in Zusammenspiel mit der Hand. Ich treibe gegen die Hand und über das Treiben kommt das Pferd zurück. Da passiert ganz vieles gleichzeitig und ich brauche dabei eine gute Feinkoordination. Wenn ich grob einwirke, bin ich weder effektiv noch sieht es schön oder leicht aus. Ich möchte das Pferd unterstützen und gleichzeitig auf das reagieren, was das Pferd macht. Auch dafür ist eine abgestimmte Koordination wichtig. Deswegen trainieren wir auch bei uns ganz gezielt den ganzen Körper und vieles zusammen und nicht nur einzelne Muskeln. Denn im Sattel benutze ich alle Muskelgruppen, es ist nicht einseitig. Das ist so schön am Reitsport: Man reitet mit seinem ganzen Körper den ganzen Körper des Pferdes – das finde ich cool.“ so Benjamin.
3 Übungen der Neuro-Athletik für dich
Folgende 3 Übungen der Neuro-Athletik kannst du zu Hause nachmachen:
„NEIN-NEIN“ Übung
Stell dich zunächst aufrecht hin und ziehe das Kinn ein, um ein leichtes Doppelkinn zu erzeugen. Fixiere entweder einen visuellen Punkt vor dir wie im Video oder strecke alternativ einen Arm nach vorne aus, wobei dein Daumen nach oben zeigt. Fixiere nun deinen Daumennagel und drehe dabei deinen Kopf für 15 Sekunden in schnellen Bewegungen von links nach rechts. Wichtig ist, den Fixpunkt nicht zu verlieren und deinen Daumennagel immer klar und scharf sehen zu können. Mach eine kurze Pause und wiederhole die Übung.
Frage dich dabei, ob du das Tempo während der Übung halten kannst, ohne den Fixpunkt zu verlieren.
„Augen-Liegestütz“ Übung
Stell dich wie bei der vorherigen Übung aufrecht hin, mach ein leichtes Doppelkinn, strecke einen Arm nach vorne aus und nimm deinen Daumennagel wieder als Fixpunkt. Alternativ kannst du auch unseren Vision-Stick als Fixpunkt verwenden. Führe nun deinen Daumen zur Nase und strecke ihn wieder aus. Wiederhole die Bewegung 5 Mal. Mach eine kurze Pause und wiederhole die Übung.
Achte darauf, ob du Doppelbilder siehst oder deinen Fixpunkt doppelt siehst. Es ist in Ordnung, wenn dein Daumennagel unscharf. Diese Übung hilft dir, Schwachstellen im visuellen und taktilen System zu identifizieren.
Mit diesen beiden Übungen aus der Neuro-Athletik testest und trainierst du dein Nervensystem. Beide Tests helfen dir dabei, mögliche Schwachstellen im visuellen und taktilen System zu identifizieren. Mache anschließend folgende Übungen, um dich zu verbessern:
Übungsbeispiele bei Auffälligkeiten: Enger Halbkniestand
Der enge Halbkniestand ist eine hervorragende Übung zur Verbesserung von Balance und Stabilität. Er bildet die Grundlage für weitere Übungen, die das Gleichgewicht und die körperliche Kontrolle stärken. Für Reiter ist dieser Stand besonders wertvoll, da er die Feinmotorik fördert und hilft, sich besser an die Bewegungen des Pferdes anzupassen, um präzisere Hilfen zu geben.
• Ausgangsposition:
Stelle den vorderen Fuß und das hintere Knie auf eine gedachte Linie. Das hintere Knie ist auf dem Boden, der vordere Fuß steht stabil, sodass du dich in einem stabilen, aber herausfordernden Gleichgewichtszustand befindest. Der Oberkörper ist aufrecht, das Becken leicht nach vorne gekippt, um die Wirbelsäule in einer neutralen Position zu halten.
1. Übung Augen-Pursuits nach links und rechts
Halte die Ausgangsposition im engen Halbkniestand. Strecke den rechten Arm nach vorne, Daumen nach oben.Fixiere deinen Daumen mit den Augen. Bewege den Daumen zur Seite (nach links und dann nach rechts), ohne den Kopf zu bewegen. Die Augen sollten dem Daumen folgen. Wiederhole dies für 10 Wiederholungen pro Seite.
Die Übung verbessert die Beweglichkeit der Augen und das visuelle System, was wichtig für Gleichgewicht und Körperkontrolle ist. So schaffst du es, deinen Oberkörper stabil zu halten und beispielsweise nicht mehr mit dem Kopf zu nicken.
2. Übung Gleichgewicht mit Armheben
Beginne wieder im engen Halbkniestand. Hebe den gegenüberliegenden Arm (z.B. linker Arm bei rechtem vorderen Fuß) über den Kopf. Halte diese Position für 30 Sekunden, während du die Balance bewahrst. Wechsle die Seiten und wiederhole die Übung.
Diese Übung stärkt deine Rumpfmuskulatur und verbessert dein Gleichgewicht. Das hilft dir, deinen Oberkörper stabil zu halten und harmonisch mit der Bewegung deines Pferdes mitzugehen. Dadurch kannst du mit präziseren Hilfen auf dein Pferd reagieren und gleichzeitig dein Gleichgewicht verbessern.
3. Übung Dynamische Kopfbewegungen
Halte die Ausgangsposition im engen Halbkniestand. Drehe den Kopf nach links und dann nach rechts, während der Körper stabil bleibt. Achte darauf, dass die Bewegung kontrolliert ist und die Augen einen Punkt auf Augenhöhe fixieren. Wiederhole dies für 10 Wiederholungen pro Seite.
Diese Übung trainiert dein Gleichgewichtssystem und hilft dir, deinen Kopf unabhängig vom Körper zu bewegen. Das ist wichtig, um im Sattel die Balance zu halten und schnell auf die Bewegungen deines Pferdes zu reagieren. Du lernst, Kopfbewegungen und Gleichgewicht besser zu koordinieren, was dir hilft, stabiler zu bleiben und präzisere Hilfen zu geben.
Neuro-Athletik ist auch ein wichtiger Baustein des DressurFit® Programms – wir zeigen dir effektive Übungen, um deinen Sitz zu verbessern und Hilfengebung zu verfeinern. Klicke hier, um alles über dein individuellen Training zu erfahren: Mehr über DressurFit®